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Expressionist 1908-1976

Franz Rudolf Wanka
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Über mich

sagt Prof. Dr. Christopher Daase

 

 

 

Franz Rudolf Wanka – Ein Wanderer durch die Moderne

Ansprache zur Ausstellungseröffnung

15. August 2008, Chieming

 

 

 

Als mich Knut Wanka vor einiger Zeit fragte, ob ich anlässlich dieser Ausstellungseröffnung ein paar Worte über seinen Vater, den Maler Franz Rudolf Wanka sagen könnte, habe ich gerne zugesagt. Und das aus zwei Gründen. Zum einen gab es mir die Gelegenheit einmal wieder in meine andere Profession zu wechseln, die Kunstgeschichte. Zum anderen aber haben mich die Bilder von Franz Rudolf Wanka immer sehr berührt, und diese kleine Ansprache gab mir die Möglichkeit, einmal zu reflektieren, warum das so ist.

 

Ich kann mich noch gut erinnern, als ich vor zwei Jahren mit Ihnen, Frau Wanka und Knut und meinen beiden Söhnen auf den Dachboden des alten Chieminger Schulhauses stieg und wir in den Mappen mit Bildern und Zeichnungen blätterten und uns die dort lagernden Gemälde ansahen, von denen jetzt hier eine Auswahl ausgestellt ist.

 

Damals auf dem Dachboden hatte ich den Eindruck, auf einer Tour de Force durch die moderne Malerei zu sein, so vielfältig schienen mir die Motive, die Farbgebung, die Formsprache, die kunsthistorischen Anspielungen. Und genau diese Vielfältigkeit scheint ja auch immer die Rezensenten und Kritiker verunsichert zu haben, die seine Bilder wahlweise mal mit Begriffen wie „Nachexpressionismus“ oder „abstrakten Realismus“ beschrieben haben.

 

Aber im Grunde widersetzt sich das Werk Franz Rudolf Wankas solchen Festlegungen. Wanka gehört nicht zu denjenigen Malern, die irgendwann beginnen, nur noch dickliche Frauen mit dem immergleichen Gesichtsausdruck zu malen oder Quadrate, die sich nur noch in der Farbgebung unterscheiden. Er entwickelt keine Manier, die zur Marke wird. Vielmehr malt er in fast irritierender Vielfältigkeit Stillleben, Portraits, Landschaften, mal in erdig-rauhen Farbtönen, mal in lichter Farbskala, mal naturalistisch, mal am Rand der Abstraktion.

 

Manche mögen das als fehlende Individualität oder Originalität bezeichnen. Es ist aber etwas anderes. Es ist der Versuch, einen immer neuen Blick auf die Dinge zu werfen, die Wirklichkeit immer neu künstlerisch zu bannen und sich dabei von der modernen Malerei inspirieren aber den Ausdruck nicht vorschreiben zu lassen. Es ist ein Wandern durch die Moderne, und wenn sie nachher durch die Ausstellung gehen, dann können Sie, denke ich, diese Wanderung nachvollziehen.

 

Lassen Sie mich nur kurz auf ein paar Stationen dieser Wanderung eingehen, denn der Aufbau der Ausstellung legt es ja nahe, auch den Lebensweg Franz Rudolf Wankas nachzuvollziehen.

 

Geboren 1908 in Böhmen immatrikuliert sich Wanka 1929 an der Wiener Malakademie, wechselt aber schon nach einem Jahr nach Prag an die dortige Kunstakademie. 1939 schließt er die Meisterklasse bei Professor Novak mit dem Diplom ab und zieht nach Berlin, um als freischaffender Künstler zu arbeiten. Krieg und Kriegsgefangenschaft verhindern dies, und als er 1945 zuerst nach München, dann nach Seeon kommt, beginnt er praktisch ein neues Leben.

 

Man hat den Eindruck, in diesen frühen Bildern (z.B. im Stillleben mit Tasse aus dem Jahr 1945 und den Fischen), dass es zunächst darum geht, sich der unmittelbaren Dinge des täglichen Lebens zu vergewissern und überhaupt erst einen künstlerischen Ausdruck für sie zu gewinnen, - als müsste man die Kunst nach der Katastrophe, nach Krieg und Vernichtung, neu erfinden.

 

Dieser Neuerfindung der Kunst dient übrigens auch die Gründung des „Roten Reiter“, bei der Wanka maßgeblich beteiligt ist. Die Idee ist 1945, eine Künstlergruppe zu bilden, die ihre Mitglieder nicht auf einen gemeinsamen Stil verpflichtet, sondern sie gemeinsam nach neuen Ausdrucksformen suchen und an die Entwicklungen der modernen Kunst anknüpfen lässt. So ist wohl auch die Namensgebung in Anlehnung an den „Blauen Reiter“ zu verstehen, nicht als plumpe Nachahmung, und auch weniger als mittelalterliches Ritterspiel, sondern als Anspruch, den von den Nazis so brutal unterbrochenen Weg moderner Kunst in Deutschland wieder aufzunehmen.

 

Wanka arbeitet von 1948 bis 1957 in Obing. Hier entstehen Landschaftsbilder und Darstellungen von Bauernhäusern, die den Einfluss Cezannes und der französischen Expressionisten erkennen lassen. Wanka muss sich intensiv mit der französischen Kunst auseinandergesetzt haben, denn er experimentiert mit Farben und Formen, dass es eine Freude ist.

 

Die Bilder Seeon und Venedig zum Beispiel zeigen deutlich den Einfluss der Fauvisten (wie Matisse, Derain oder Vlaminck), die die Farbe zum Ausdrucksträger subjektiver Erlebnisse machten. Die kräftigen Kontraste im Venedigbild erzeugen eine einzigartig intensive Stimmung.

 

Aber noch deutlicher ist der Einfluss des Kubismus, der den Fauvismus Anfang des 20. Jahrhunderts in der französischen Malerei abgelöst hatte. Auch hier scheint Wanka eine historische Formsprache der modernen Kunst wieder aufnehmen zu wollen, um mit ihr ein neues Ausdruckspotential zu erschließen. 1952 malt er das „Stillleben mit Mandoline“, ein Bild, das sich thematisch, formal und in der Farbgebung eng an George Braque und den frühen Kubismus anlehnt. Die scharfe Konturierung der Gegenstände verleiht dem Bild etwas Ornamentales und betont die klassische Komposition.

 

Die im Kubismus bereits angelegte Tendenz zur Abstraktion scheint Wanka nicht gescheut zu haben. Auch die Wendung des so genannten analytischen Kubismus zur fast gänzlichen Aufsplitterung der Form durch die gleichzeitige Darstellung der Gegenstände aus vielfältigen Perspektiven, vollzieht er nach. Das Bild „abstrakte Traube“ ist eigentlich nur noch dort gegenständlich, wo man eine Weintraube sieht und ein Wasserglas ahnt. Es erinnert übrigens wegen der pastellenen Farben allerdings eher an Juan Gries als an Braque oder den Picasso der kubistischen Periode.

 

Kubistische Einflüsse sind auch in anderen Bildern nachweisbar, wenn auch freier eingesetzt, so z.B. im Bild das „Abstrakt“ betitelt ist und den „abstrakten Booten“. Interessant ist aber, dass Wanka gleichzeitig aber immer wieder zu fast naturalistischen Darstellungen (wie z.B. der Tiroler Berghütte) zurückfindet und den Gang in die Ungegenständlichkeit vermeidet.

 

Interessant sind hier vor allem die Bilder, die auf ausgedehnten Reisen in den Süden gemalt werden. 1957 zieht Franz Rudolf Wanka mit seiner Familie nach München und unternimmt Reisen nach Frankreich, Italien und Spanien. Fast wie bei August Macke belebt sich die Farbskala, verschwinden die erdigen Brauntöne und weichen klareren, frischeren, mediterranen Farben, was man insbesondere an seinen Aquarellen sieht.

 

Immer wieder kehrt Wanka aber zu seinen ursprünglichen Motiven zurück, dem Schloss Seeon und der Landschaft des Chiemgaus, und immer wieder experimentiert er mit Form und Farbe und den Ansätzen anderer Künstler. So kann man, wenn man will, im Bild „Der Apfel“ das Chiffrenhafte und Symbolische eines Paul Klee entdecken, oder in der „Berglandschaft“ den Einfluss der Alpenbilder von Ludwig Kirchner.

 

Wenn man will, kann man auch den Umgang Wankas mit der Formensprache moderner Kunst „eklektisch“ nennen. Aber es ist eben kein Nachahmen der Moderne, sondern ein Nachempfinden, oder besser noch: Nachleben der Moderne, grad so als hätte man etwas versäumt und müsste noch einmal am Anfang beginnen um den Anschluss nicht zu verpassen.

 

Es ist, glaube ich, dieses ernsthafte Ringen um einen authentischen Zugang zur modernen Malerei, die mich in den Bildern Franz Rudolf Wankas so angesprochen hat. Er war ein Wanderer in der Moderne, und diese Ausstellung lässt uns an seiner Wanderung ein Stück weit teilhaben.

 

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